Mein letzter Tag bricht an, das Wetter soll heute schön werden. Mit einem Baguette traditionelle vom Bäcker nebenan, verschiedenen Käsesorten, Tomaten und Kaffee starte ich. Es war nicht so leicht, zu planen, woher und wie ich mir das Rad besorge. Hier fahren zwar verschiedene Leihräder herum, aber die Marke, die mir am besten gefallen hat, gibt es nur mit einem Monatsabo, also für die locals interessant. Bleibt eigentlich nur Velib übrig. Sie haben eine App und man kann sich Räder on demand, d.h. Auch Stundenweise ausleihen. Voraussetzung ist ein Pass Navigo Decouverte, den man braucht, um Wochentickets für den Pariser Transport drauf zu laden. Dafür benötigt man ein Passbild und muss den Pass bei einer Metrostation erwerben. Kostet 5 EUR. Den Pass muss man bei Velib aktivieren und kann losradeln. Klingt kompliziert, mal schauen, ob das klappt. Den Pass bekomme ich ohne Probleme, aber beim ersten Rad nimmt er meine Codes nicht an. Ich sehe mir das Einleitungsvideo auf Youtube nochmal an, während meine Finger werden immer klammer werden. Als es endlich klappt, gibt der Fahrradhalter das Rad nicht frei. Na super. Ein Typ, der auch eins ausleiht, erklärt mir, dass das bei einigen Rädern vorkommt. Ich suche ein neues. Nach etlichen Versuchen klappt es endlich und ich kann losradeln. Komoot hat für mich schon geplant: ca. 22 km nach Versailles an der Seine entlang, sollte ja kein Problem werden. Naja, das bewahrheitet sich leider nicht. Das Rad ist viel zu klein für mich, der Sattel ist eher für Asiaten geeignet, was das Treten echt mühsam macht. Der Gang springt und die Bremsen sind etwas schwer zu betätigen, dennoch komme ich gut voran und genieße die Fahrt in die äußeren Bezirke von Paris. An der Seine stehen unglaublich viele Luxushausboote, mit eigenem Anleger, Garten und sogar mit eigenen Abstellplätzen für Fahrräder und Mülltonnen. Riesige Schiffe, so groß wie Eigentumswohnungen in erster Lage direkt am Wasser. Ich erreiche La Defense, die Bürostadt. Die Hochhäuser sind ganz hübsch, fallen aber erst dort draußen auf. In Saint-Cloud verlasse ich die Straße und biege in einen schloßähnlichen Park ab. Der Weg geht ziemlich steil auf Kopfsteinpflaster bergauf und ich kämpfe mit diesem schweren Rad, muss sogar schieben. Na super, wie soll ich damit nach Versailles kommen? Endlich geht es wieder bergab und ich erreiche Ville-d‘Avray ein hübsches Dorf mit kleinen Steinhäusern, welche mich eher an England erinnern. Der Weg führt weiter bergauf, mein Tempo verlangsamt sich erheblich bis ich ich endlich den Ortseingang von Versailles erreiche. Die große Promenade führt mich direkt zum Schloß. Dort ist leider kein Parkplatz von Velib, daher stelle ich mein Rad direkt vor dem Tor ab, was niemanden stört. Mit dem Online Ticket bin ich sofort drin und komme direkt in die Wohn-Gemächer im 1. Stock. Der Spiegelsaal ist super, sehr hell und lang. Und lustig, zu sehen, wo Louis der 14. und seine Gefährtin geschlafen haben. Aber wo sind bloß die 20.000 Höflinge untergebracht gewesen? Das Schloß ist zwar groß, aber wurde ja auch für Verwaltung genutzt. Viele junge Leute besuchen Versailles, aber es ist nicht zu voll, so dass man stressfrei überall durchkommt. Draußen im Park kommt endlich die versprochene Sonne raus, ich genieße die Aussichten auf die vielen Wasserflächen und den Spaziergang in den gepflegten, unendlich wirkenden Park. Die Blickachsen sind der Wahnsinn. Wieviele Gärtner hierfür gebraucht werden? Im Sommer muss es noch schöner sein. Nach vielen Fotos kann ich mich endlich losreißen und hoffe, dass mein Rad noch da ist. Gezwungenermaßen mache ich mich auf die 20km Rückreise in der Antizipation, dass diesmal bergab geht. Mein Wunsch wird erfüllt, es gibt tolle Radwege und die Autos achten wirklich sehr auf ausreichenden Abstand und sicheres Überholen. Kein Autofahrer ist genervt oder drängelt. Schnell erreiche ich wieder die Seine und fahre weiter in südlicher Richtung. Auch hier moderne Bürohochhäuser und wieder zahlreiche Hausboote. Schließlich taucht der Eifelturm vor mit auf, erst noch in großer Ferne. Vor ihm steigt ein Heißluftballon auf (auch eine touristische Attraktion). Das Seine-Ufer strahlt in der Abendsonne auf, faszinierende Ausblicke.
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